Fast jeder Norwegen- und vor allem Norkappfahrer hat wohl verträumt-romantische Vorstellungen vom Nordkapp: ein einsamer Punkt weit im Norden, Wehmut und Sehnsucht, ein wenig Romantik, unverfälschte Natur im hohen Norden, in Ruhe die Mitternachtssonne genießen, endlich an der von den Bildern bekannten Weltkugel stehen ... Hoffentlich hat sich jeder, der in der Zwischenzeit das Nordkapp anfährt, aus Reiseführern entsprechend informiert. Sonst wird die Enttäuschung groß sein. Die Wirklichkeit sieht nämlich etwas anders aus.
Schon der Weg dorthin ist für jemanden, der die Ruhe und die Natur sucht, eine Mahnung: eine kleine Schlange von Womos, dazu mehrere Busse, die sich die letzten Kilometer zum Kapp schlängeln, manchmal bei Steigungen gibt es sogar ein wenig Stau. Dann nimmt der Nebel zu. Meine Ankunft erfolgt im dichtesten Nebel, vielleicht 20 m Sichtweite (dafür kann niemand etwas, das hat auch seinen Reiz). Statt Natur warten dann - nachdem ich sie im Nebel erahnen kann - Kassenhäuschen auf einen. Es gibt eine “Nordkapp-Gebühr”, für mich - wenn ich es richtig in Erinnerung habe - 28.- €. Dafür darf ich dann zwei Tage bleiben und auch im Nordkappzentrum einkaufen. Langsam taste ich mich mit meinem Womo voran. Aus dem Nebel taucht ein Hinweisschild für einen Parkplatz auf. Ich fahre ihm nach, durch abgestellte Womos hindurch. Ich bin anscheinend auf einem Großparkplatz. An einem Rand suche ich mir einen ruhigen Stellplatz. Hinter mir könnte das Meer sein - ich würde es im Nebel nicht sehen. Dann steige ich zu einem Orientierungsspaziergang aus. Es ist kalt, ein starker Wind bläst mir ins Gesicht. Langsam gehe ich weiter: Irgendwo hier müsste doch das Meer und ein Nordkapp sein? Langsam lichtet sich der Nebel und ich erkenne, wo ich bin: Vor mir die steile Kante der Klippen, darunter, etwa 300m tiefer, das Meer. Rechts taucht langsam das Nordkappzentrum auf. Ich gehe am Geländer entlang, das die Klippen absichert. Geparkte Busse tauchen auf, immer mehr Menschen. Und dann sehe ich endlich die berühmte Erdkugel! Hier ist also das Nordkapp! Nach dieser ersten Orientierung geht es zurück ins Womo, etwas Warmes essen. Dann führt mich der Weg ins Nordkappzentrum. Es ist ein Bau, dessen Dimensionen man oben nicht erahnt. Um die Landschaft wenigstens etwas zu schonen, wurde dieses Zentrum zum großen Teil unterirdisch angelegt. Ich brauche aus einem Laden eine dicke Mütze wegen des starken Windes dort draußen. Und dann kann ich endlich in Ruhe (wenn ich mir die vielen Besucher wegdenke) das Nordkapp anschauen. Es ist 23.00 Uhr, langsam nähert sich Mitternacht.
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